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Umwelt im Lokalen

von  Michael Bechtel

(überarbeitete Fassung eines Beitrags in: Projektteam Lokaljournalisten (Hrsg.), Lokaljournalismus. Themen und Management. München: List 1998)

Umweltthemen haben keine Konjunktur – weder im Lokalen noch anderswo in den Medien. Das war vor zehn, fünfzehn Jahren anders. Damals verstanden sich viele junge Journalisten als Teil der ökologischen Opposition. Der wöchentliche Umweltskandal gehörte zum Pflichtpensum engagierter Lokalredaktionen. Heute schreibt niemand mehr über das Waldsterben. Nicht weil es um die Wälder besser stünde. Über ein Jahrzehnt intensiver Forschung hat, wie das Umweltbundesamt 1997 feststellte, die komplizierten Zusammenhänge zwischen dem Sterben der Bäume und Luftschadstoffen klar bewiesen. Zudem die Tatsache, dass die genetische Vielfalt der Wälder abnimmt. Kaum jemand schreibt noch über Gefahren für das Trinkwasser. Nicht weil diese abgewendet wären: Die Pestizid- und Nitrat-Messwerte der Brunnen in einigen Regionen werden immer bedenklicher.

In diesem Text erfahren Sie etwas über folgende Themen:
Umwelt-Ordnungspolitik national und international
Globale Umweltprobleme
Das Konzept der Nachhaltigkeit
Akteure der Umweltpolitik
EU harmonisiert das Umweltrecht
Zuständigkeiten in Deutschland
Die Kommunen im Umweltschutz
Die Agenda 21
Wirtschaft entdeckt das Umweltmanagement
Was Leser von Umweltberichterstattung erwarten dürfen
Eine Konzeption ist notwendig
Nirgendwo sonst ist Recherche so wichtig
Tipps und Informationsquellen
Literaturhinweise

Die Umweltprobleme sind nicht kleiner geworden – bei allen Erfolgen des Umweltschutzes, die es auch zu würdigen gilt. So ist das mit den Medien - das Alltägliche, Vertraute ist kein Thema. Umweltprobleme sind uns einerseits so nahe, so vertraut und alltäglich, dass jeder spektakuläre Charakter abhanden gekommen ist. Unter gängigen Nachrichtenwert-Kriterien geben sie so wenig her wie die vier Millionen einigermaßen versorgten Arbeitslosen oder die Millionen von Menschen, die sozial unauffällig unterhalb der Armutsgrenze leben. Andererseits haben die Probleme in mancher Hinsicht eine derart apokalyptische Dimension angenommen, dass sie die menschliche Vorstellungskraft überfordern und zu Verdrängung beinahe nötigen.

Drei Jahrzehnte einer staatlichen Umwelt-Ordnungspolitik haben Einiges erreicht. Die zentralen Umweltgesetze mit ihren weitläufigen Verordnungswerken und Verwaltungsvorschriften zeigen Wirkung. Das Gespenst einer mit wachsendem Tempo vergifteten Umwelt ist in Deutschland weitgehend vertrieben. Aufwändige Kläranlagen haben die Flüsse und Seen wieder sauberer gemacht. Strenge Emissions- und Immissionsgrenzwerte, aufwendige Filteranlagen an Großfeuerungsanlagen und Katalysatoren an den Autos haben die meisten Luftschadstoffe reduziert, so dass bei winterlichen Inversionswetterlagen seit Jahren kein Smogalarm mehr ausgelöst werden musste. Die Mülllawine scheint gestoppt, die Recyclingquoten steigen. Gefährliche Stoffe wurden ganz aus dem Verkehr gezogen. Umweltfreundlichere Produkte und Produktionsverfahren stehen im wachsendem Maße zur Verfügung.

Viele ungelöste Probleme und offene Fragen stehen diesen erfreulichen Entwicklungen gegenüber. Stickstoffeinträge aus Landwirtschaft und Straßenverkehr zum Beispiel bereiten weiter Sorgen – sie sind maßgeblich verantwortlich für das unvermindert anhaltende Waldsterben. Überdüngung und die Verwendung von Pestiziden gefährden weiter das Grundwasser. An die Stelle des Wintersmogs ist der Sommersmog getreten: die Bildung von Ozon aus Schadstoffen, die nicht unerheblich vom wachsenden Verkehr verursacht werden. Ganz unklar ist, inwieweit die riesige Zahl von großenteils in ihrer Wirkung auf den menschlichen Organismus kaum erforschten Chemikalien, die über die Nahrung aufgenommen werden, die Gesundheit der Menschen und das genetische Potential künftiger Generationen bedroht.

Die globalen Umweltprobleme bedrohen nach Ansicht vieler Klimafolgenforscher das Gefüge menschlicher Zivilisation auf diesem Planeten. Die fortschreitende Erwärmung lässt nicht nur den Meeresspiegel ansteigen, sie könnte das vertraute Klimasystem kippen. Die Wüstenbildung durch die Klimaveränderung und menschliche Zerstörung schreitet voran, der Wassermangel nimmt zu. Die Folgen für die Ernährung der Weltbevölkerung sind noch nicht absehbar. Die Ozonschicht dürfte sich erst in rund 50 Jahren von der Schwächung erholt haben. Und die Zerstörung der biologischen Artenvielfalt nimmt an Tempo zu.

Ökologische Fragestellungen sind angesichts solcher Probleme gesamtgesellschaftlich akzeptiert. Ein Vierteljahrhundert nach Beginn der Umweltdiskussion bestreitet niemand mehr den Ernst der Probleme und die Notwendigkeit von Konsequenzen. Zugleich treten diese Probleme für die Menschen an die zweite Stelle hinter die alltäglichen Fragen des Erhalts der Arbeitsplätze und der Sicherung eines Lebensstils, der eine wesentliche Ursache der Umweltproblematik ist.

Ein neues Leitbild bestimmt heute die Umweltpolitik. Schon in den 90er Jahren ist klar geworden: Der rein mediale Schutzansatz (Wasser, Luft, Lärm) ist nicht geeignet, die Ökologie als ein vernetztes System zu begreifen und zu behandeln. Eine negativ definierte Umweltpolitik, die als reine Gefahrenabwehr betrieben wird und demzufolge staatlich verordneten technischen Umweltschutz setzt, kann die Probleme nur verlagern.

Das Konzept der Nachhaltigkeit soll eine gesamtökologische Orientierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft bringen. Es hat sich ausgehend von dem Umweltgipfel 1992 in Rio durchgesetzt und ist das Ergebnis einer globalen Betrachtungsweise, in der deutlich wird: Armut und Unterentwicklung sind ebenso Ursachen für die Umweltzerstörung wie die heutige wirtschaftliche und soziale Entwicklung in den Industrieländern. Die Existenzgrundlagen der Menschheit können nur nachhaltig gesichert werden, wenn die Umweltbelastungen und der Verbrauch natürlicher Ressourcen verringert, das soziale Gefälle zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vermindert und die Lebensbedingungen der in Armut lebenden Menschen verbessert werden. Alle Dimensionen – Wirtschaft, Umwelt, Soziales – müssen bei politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen gleichermaßen berücksichtigt werden. Nachhaltig ist eine Entwicklung, die weltweit über Generationen hinweg fortgeführt werden kann, ohne Naturhaushalt und Gesellschaft in ihrer Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen.

Die Grundsätze, die sich aus dem Konzept der Nachhaltigkeit ergeben, hat die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestages "Schutz des Menschen und der Umwelt" 1994 so formuliert:

· Eine Ressource darf nicht stärker genutzt werden, als es ihre Regenerationsrate oder die Möglichkeit, sie durch eine andere zu ersetzen, zulässt.

· Es dürfen nicht mehr Stoffe freigesetzt werden, als es die Tragfähigkeit des Naturhaushalts oder seine Assimilationsfähigkeit zulässt.

· Gefahren und unvertretbare Risiken für Mensch und Umwelt durch menschliche Einwirkungen sind zu vermeiden.

· Das Zeitmaß menschlicher Eingriffe in die Umwelt muss in einem ausgewogenen Verhältnis zu der Zeit stehen, welche die Umwelt zur Reaktion benötigt.

Mit dem Wachsen der technischen Effizienz müssen sich auch Konsumverhalten und die rechtlichen und wirtschaftlichen Strukturen verändern, sagt das Umweltbundesamt in seiner Zukunftsstudie “Nachhaltiges Deutschland – Wege zu einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung”. Technischer Fortschritt und ressourcensparende Produkte und Herstellungsprozesse sind wichtig, genügen aber nicht. Ordnungsrechtliche, marktwirtschaftliche und bewusstseinsbildende Instrumente sollen einen Struktur- und Bewusstseinswandels fördern. Das Umwelt- und Planungsrecht müsse harmonisiert und fortentwickelt, eine ökologische Finanzreform eingeleitet, Umweltabgaben verstärkt eingesetzt, Subventionen unter Umweltschutzgesichtspunkten geprüft und die Umweltpädagogik weiterentwickelt werden.

Auf heutige Konsummuster sind 30 bis 40 Prozent aller Umweltprobleme direkt oder indirekt zurückzuführen, meint das Umweltbundesamt. Diese seien allerdings nicht nur das Ergebnis eines unzureichenden Verbraucherbewusstseins. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen böten nur wenige Spielräume für die Veränderung von Lebensstilen. Ver­änderung des Konsumverhaltens ist keine moralische Bekehrungsaufgabe. Es geht um allgemeine Wertorientierungen und neue soziokulturelle Trends und Lebensstile.

Nachhaltigkeitspolitik hat nur Erfolg, wenn sie sich weltweit durchsetzt, ohne dass nationale Anstrengungen vom Mit­ziehen anderer Staaten abhängig gemacht werden. Die strategische Verweigerungshaltung mancher Länder soll durch die nationale Vorreiterrolle einzelner Staaten wie Deutschland überwunden werden. Doch hat die nationale Ebene hierzulande an umweltpolitischer Bedeutung verloren.

Das Gewicht der Akteure der Umweltpolitik hat sich verändert: In der Sicht der Bürger steht immer noch die Bundesregierung im Mittelpunkt des politischen Kräftefeldes, doch entspricht das nicht mehr den Realitäten. Europäisches Umweltrecht engt nationale Gestaltungsspielräume immer mehr ein. Deutschland ist darüber hinaus Teil eines transnationalen Netzwerks von umweltbezogenen Aktivitäten. Angesichts globaler Umweltprobleme die internationale Bühne zum entscheidenden Schauplatz geworden. Zwischenstaatliche Vereinigungen und Verträge, die verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen und internationale Konferenzen sind die Foren, auf denen die Staaten ihre unterschiedlichen Interessen einbringen. Multilaterale Umweltkonventionen wie das Montrealer Protokoll, die Klimarahmenkonvention, die Konvention über die biologische Vielfalt, und die Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung sind ein Anfang.

Die Commission on Sustainable Development (CSD), die UN-Kommission für nachhaltige Entwicklung, ist seit 1993 die zentrale Institution im Rahmen des sogenannten "Rio-Prozesses". Sie soll die Umsetzung der Ergebnisse überwachen und koordinieren sowie weiterführende Vorschläge erarbeiten. Die CSD-Tagungen dienen auch den Nichtregierungsorganisationen als Forum der Diskussion über eine global nachhaltige Entwicklung. Der Kommission gehören 53 Staaten an.

Die UNO-Unterorganisation UNEP (United Nation Environment Programm) befasst sich seit 1972 mit den weltweiten Umweltproblemen und denen der Entwicklungsländer. Beispielsweise prüft sie Entwicklungshilfeprojekte der Weltbank auf ihre Umweltverträglichkeit. Darüber hinaus war UNEP zum Beispiel beteiligt an Ost-West-Gesprächen über den Sauren Regen und an der Ausarbeitung von Strahlenschutzstandard im Rahmen der Internationalen Energiebehörde. Die Organisation hat einen Jahresetat von 30 Millionen Dollar und ein Sekretariat in Nairobi mit rund 400 Mitarbeitern. Deren Chef ist derzeit der frühere Bundesumweltminister Klaus Töpfer.

Die Europäische Union kann durch Verordnungen und Richtlinien Umweltpolitik gestalten. Verordnungen schaffen unmittelbar geltendes Recht, Richtlinien verpflichten die Mitgliedsstaaten, die Grundsätze in angemessener Frist in nationales Recht umzusetzen. Die Entwürfe kommen aus dem Verwaltungsapparat der EG-Kommission. Das Europäische Parlament kann Stellung nehmen und Änderungen vorschlagen. In den strategischen umweltpolitischen Fragen etwa der Verkehrspolitik, der Energiepolitik oder der steuerlichen Instrumente ist der Einfluss des Parlaments nach wie vor schwach. Die Entscheidung liegt bei der Mehrheit im Europäischen Rat, also bei den Vertretern der Regierungen, wo die Bundesregierung weitgehend ohne demokratische Kontrolle agieren kann. Die Abgeordneten des Bundestages werden über Vorhaben der EG-Rechtsetzung lediglich "unterrichtet". Über Entschließungen oder Ausschussbeschlüsse können sie die Bundesregierung rechtlich unverbindlich zu einem bestimmten Verhalten in den Europäischen Gremien auffordern. Der Bundesrat als Vertretung der Länder hat das Recht, alle EG-Vorlagen zu beraten und Stellung zu nehmen. Es sind so viele, dass er eine eigene Kammer dafür eingerichtet hat. Verbindlich sind deren Entscheidungen für die Bundesregierung nicht.

Die Harmonisierung von Umweltschutzstandards auf europäischer Ebene hat häufig eine erhebliche Tragweite, wie die im September 1996 verabschiedete EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie). Sie regelt das Genehmigungsverfahren und die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen für Industrieanlagen neu. Genehmigungen sollen den Schutz der Umwelt insgesamt sicherstellen, indem sie Emissionen in Luft, Wasser und Boden unter Berücksichtigung von Verlagerungseffekten begrenzen. Einen solchen integrierten Ansatz gibt es bisher im deutschen Umweltrecht nicht, auch die Behördenstruktur ist darauf nicht eingestellt.

Als Musterknabe des europäischen Umweltschutzes gilt Deutschland unter den Partnern nur bedingt. Die Zahl der Untätigkeitsklagen der EG-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof zeigt: EG-Richtlinien wurden oft unzureichend oder nicht fristgerecht umgesetzt. Sieben Mal wurde Deutschland verurteilt, unter anderem wegen der Richtlinien über Schwefeldioxid und Schwebstaub und über den Bleigehalt in der Luft. Künftig droht ein saftiges Zwangsgeld, wenn solche Urteile des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) missachten werden. Es ist als Tagessatz ausgestaltet und von der Größe der Länder abhängig. Deutschland müsste bei "leichten" Verstößen rund 25 000 Mark pro Tag zahlen, bei "schweren" Verstößen können es 1,5 Millionen Mark pro Tag werden.

Ihre nationale Gesetzgebungskompetenz nimmt die Bundesregierung heute in dem von der EU gesetzten Rahmen wahr, ebenso wie die Länder das innerhalb des vom Bund gesetzten Rahmens tun. Auf den meisten umweltpolitisch wichtigen Gebieten gilt das Prinzip der konkurrierenden Gesetzgebung (Artikel 74, 72 Grundgesetz): Die Länder haben die Befugnis, Gesetze zu machen, solange und so weit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht. Das hat er allerdings auf fast allen Gebieten inzwischen getan, so dass – etwa in Fragen der Abfallbeseitigung, der Luftreinhaltung oder der Lärmbekämpfung – der Bund der hauptsächliche Gesetzgeber ist. Das Recht zur Rahmengesetzgebung (Artikel 75, 72 Grundgesetz) hat der Bund etwa auf den umweltpolitisch wichtigen Gebieten Naturschutz, Landschaftspflege, Raumordnung, Wasserhaushalt und Jagdwesen. Der Bund schafft einen allgemeinen gesetzlichen Rahmen, den die Länder auszufüllen haben.

In der Bundesregierung sind die wesentlichen Umweltzuständigkeiten seit 1986 im Umweltressort zusammengefasst, aber keineswegs alle. So liegt die Federführung für das Pflanzenschutzgesetz weiterhin beim Bundeslandwirtschaftsminister. Die Pestizide verunreinigen Oberflächengewässer und Grundwasser, womit sie das Trinkwasser bedrohen. Für dessen Qualität sorgt mit der Trinkwasserverordnung – auf der Grundlage des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) – der Bundesgesundheitsminister. Umweltschutz ist eine Querschnittsaufgabe der Regierungstätigkeit. Neben dem Umweltministerium haben sieben weitere Ministerien umweltpolitisch wichtige Aufgaben. Zur Koordination gibt es einen Kabinettsausschuss. Ein ständiger Abteilungsleiter-Ausschuss ist für die Abstimmung der Ministerien zuständig. Fachlich stützt sich die Bundesregierung auf das Umweltbundesamt, die Bundesanstalt für Naturschutz (BfN) und das Bundesamt für Strahlenschutz. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) erarbeitet Gutachten zur Gesamtsituation der Umwelt oder zu Einzelfragen (Landwirtschaft und Umwelt, Abwasserabgabe, Auto und Verkehr). Der 1992 gegründete Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) soll die Flut von Informationen zu Umweltveränderungen aus aller Welt bewerten. Er ist direkt der Bundesregierung zugeordnet.

Die Länder haben die Möglichkeit zur ergänzenden Umweltgesetzgebung, wo der Bund seine Gesetzgebungskompetenz nicht voll ausfüllt. Dies ist zum Beispiel beim Emissionsschutz und bei der Abfallbeseitigung der Fall. Wichtiger ist die den Bundesrahmen ausfüllende Gesetzgebung der Länder. Die Landesnaturschutzgesetze, Landeswassergesetze oder Landesjagdgesetze können Gestaltungsspielräume nutzen.

Den Vollzug des Umweltrechts nehmen die Länder in eigener Verantwortung wahr. Deshalb bedürfen alle Verordnungen und Verwaltungsvorschriften des Bundes der Zustimmung des Bundesrates. Führen die Länder Bundesgesetze als eigene Angelegenheit (Artikel 84 Grundgesetz) aus, regeln sie die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren. Der Bund kann allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen und übt die Rechtsaufsicht aus. Bei der Bundesauftragsverwaltung der Länder (Artikel 85 Grundgesetz) liegt die Einrichtung der Behörden in der Regel ebenfalls bei den Ländern. Der Bund kann allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen, die einheit­liche Ausbildung der Beamten und Angestellten regeln und bei der Besetzung der Leitung der mittleren Behörden mitreden. Er hat die Rechts- und die Fachaufsicht. Die obersten Bundesbehörden können den Landesbehörden Weisungen erteilen.

Wegen des föderalistischen Beziehungsgeflechts zwischen Bund und Ländern haben sich Koordinationsgremien gebildet. Die politische Spitze dieser Gremien bildet die zweimal jährlich tagende Umweltministerkonferenz. Ihre Arbeit wird von einem Ständigen Abteilungsleiterausschuss vorbereitet. Daneben gibt es Länderausschüsse, die vor allem der Abstimmung von Vollzugsaufgaben dienen. Beispiel: Welche Grenzwerte werden als "Stand der Technik" anerkannt? Unter anderem gibt es Ausschüsse für Immissionsschutz (LAI), Wasser (LAWA), Naturschutz (LANA), Abfallbeseitigung (LAGA) und einen Bund-Länderausschuss Umweltchemikalien (BLAU).

Die Kommunen haben als untere Verwaltungsbehörden Aufgaben im Vollzug der Umweltgesetze von Bund und Ländern. Die genaue Aufgabenteilung zwischen den Landkreisen, den kreisangehörigen und kreisfreien Städten ist landesrechtlich geregelt. Für kleine Gemeinden übernimmt der Kreis oft Aufgaben, für die größere Städte eigene Ämter unterhalten. Häufig schließen sich Kommunen zu einem Zweckverband zusammen, um bestimmte Aufgaben gemeinsam zu lösen. So gibt es Abfallbeseitigungsverbände, Abwasserzweckverbände oder auch Abwasser- und Bodenverbände.

Auch die Gemeinden setzen Recht im Umweltschutz. Ein Teil der Satzungen ist obligatorisch, andere liegen im pflichtgemäßen Ermessen der Selbstverwaltungsorgane. Eine Pflichtsatzung ist etwa die Hauptsatzung, in der die Gemeinde im Rahmen des Landesrecht unter anderem ihre Umweltorganisation festlegt. Umweltpolitisch bedeutsam ist die Pflichtsatzung ”Haushaltsplan”, in der den Umweltbereich betreffende Einnahmen und Ausgaben geregelt sind. Die Betriebssatzung bestimmt die Organisation der kommunalen Eigenbetriebe. Durch die Satzungen über Anschluss- und Benutzungszwang regeln die Kommunen Fragen des Anschlusses der Grundstück an Wasser- und Abwasserleitungen, der Straßenreinigung und anderes mehr. Unmittelbar einleuchtend ist die umweltpolitische Bedeutung der Satzungen über Abgaben und Dienstleistungen, der Bebauungspläne, Veränderungssperren, Festlegung von Sanierungsgebieten und straßenrechtlichen Satzungen.

Im Rahmen ihrer grundgesetzlich garantierten Selbstverwaltung (Artikel 28 GG) erbringen die Gemeinden Leistungen für die Bürger, gestalten die örtliche Lebenswelt des Menschen und wirken auf die natürliche Umwelt erheblich ein. Sie regeln ihre Entwicklungsplanung in eigener Verantwortung, insbesondere die Bauleitplanung, in deren Rahmen Gewerbe- und Siedlungsflächen ausgewiesen werden. Sie sind in der Regel verantwortlich für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung, für den Bau und Betrieb öffentlicher Kläranlagen, für die Abfallentsorgung, die Energieversorgung, die Anlage und Pflege öffentlicher Grünanlagen und Wälder, für Lärmschutzmaßnahmen und vieles andere mehr. Immer mehr Gemeinden entwickeln so eine eigenständige kommunale Umweltpolitik. Umweltämter wurden errichtet, die Kommunalparlamente haben Umweltausschüsse gebildet, hauptamtliche Umweltbeauftragte sind ernannt worden.

'Global denken – lokal handeln' – unter diesem Motto sind seit dem Umweltgipfel von Rio 1992 Initiativen und Netzwerke entstanden, in denen Gemeinden über ihre Verwaltungsgrenzen hinaus zusammenarbeiten, um ihren Beitrag zur Lösung globaler Umweltprobleme zu leisten. In der Erklärung von Rio zu Umwelt und Entwicklung (Rio-Deklaration) weist Grundsatz 10 auf die Bedeutung der Kommunen hin: "Umweltfragen werden am besten unter Beteiligung aller betroffenen Bürger auf der jeweiligen Ebene behandelt...." Im Kapitel 28 der Agenda 21 werden die Kommunen aufgefordert, für ihren Bereich Initiativen zur Unterstützung der Agenda 21 durchzuführen. Es regt an, dass "jede Kommunalverwaltung in einen Dialog mit ihren Bürgern, örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft eintreten und eine kommunale Agenda 21 beschließen soll".

In rund 100 Städten und Gemeinden gibt es nach Angaben des Internationalen Rats für kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) in Deutschland Initiativen für eine Lokale Agenda. Deren Erfahrungen sollen in einem praxisnahen Leitfaden zusammengefasst werden. Das Umweltbundesamt hat 1996 ein Forschungsprojekt Umweltwirksamkeit kommunaler Agenda 21-Pläne an den Internationalen Rat für kommunale Umweltinitiativen (ICLEI) vergeben. Außerdem wurde ein Beirat eingerichtet, der den "Lokale-Agenda-21-Prozess" in Deutschland beobachten und begleiten soll. Darin arbeiten Bundesumweltministerium, Umweltbundesamt, die Bundesforschungsanstalt für Landes- und Raumordnung, kommunale Verbände und Institutionen, Umweltschutzverbände sowie einige Städte mit.

Die Öffnung der EG-Öko-Audit-Verordnung hat die Möglichkeit geschaffen, dass auch die Kommunen sich daran beteiligen: Sie verpflichten sich mit einer Teilnahme, ihre Umweltanstrengungen ständig zu verbessern und regelmäßig in einer von unabhängigen Umweltgutachtern geprüften Umwelterklärung über darüber öffentlich Rechenschaft zu geben.

Die Wirtschaft und ihre Interessenvertretungen leugnen Umfang und Dringlichkeit der Umweltprobleme schon lange nicht mehr. Sie bekennen sich zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung. Wirtschaftliches Wachstum müsse mittel- bis langfristig vom Naturverbrauch abgekoppelt werden, indem der Rohstoffeinsatz gesenkt und Schadstoffe an der Quelle in unschädliche Stoffe umgewandelt werden. Dabei hilft die Einsicht, dass sich ohne Umweltschutz die Produktionsbedingungen langfristig verschlechtern. Außerdem wird Umweltschutz inzwischen als ein profitabler und zukunftsträchtiger Wirtschaftszweig angesehen. Dennoch werden umweltpolitische Maßnahmen sehr oft abgelehnt, macht die Wirtschaftslobby ihren Einfluss geltend, um Anforderungen zu entschärfen und zeitlich zu strecken.

Die einzelnen Unternehmen übernehmen immer häufiger Verantwortung für die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen. Umweltmanagementsysteme und die Teilnahme an freiwilligen Umweltbetriebsprüfungen stoßen auf großes Interesse. Umweltorientierte Unternehmer und Manager haben sich in Organisationen wie dem Bundesdeutschen Arbeitskreis für umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) zusammengeschlossen und wirken im International Network for Environmental Management (INEM) mit. Viele Unternehmen veröffentlichen heute jährliche Umweltberichte. Die Kosten unterlassener Umweltschutzmaßnahmen schätzen Experten schon heute höher als die Ausgaben, die zur Einsparung dieser Kosten erforderlich gewesen wären. Die abzusehende Preisentwicklungen bei Wasser, Entsorgungskosten und Energie werden Kostensenkungsmöglichkeiten künftig noch interessanter machen. Umweltmanagementsysteme leisten einen Beitrag dazu, diese Kostensenkungspotentiale systematisch zu ermitteln und auszuschöpfen. Möglich umweltschonende Arbeit des Unternehmens und umweltfreundliche Produkte fördern Kundenzufriedenheit gesellschaftliche Akzeptanz des Unternehmens.

Auch die Umweltbewegung hat sich gewandelt: Sie ist organisatorisch gefestigter. Gutgemeintes ehrenamtliches Engagement stützt sich immer mehr auch auf professionelles Know how. Unter dem Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung hat die Umweltbewegung entdeckt, dass sie nur zum Ziele kommen kann, wenn sie kompromissfähig wird und legitime gesellschaftliche Interessen anderer Art einbezieht. Das verhindert freilich nicht, dass Konflikte auch heute oft mit erbitterter Grundsätzlichkeit ausgetragen werden.

Was Leser von der Berichterstattung ihrer Tageszeitung bei Umweltproblemen erwarten, ist nichts als Einhaltung der journalistischen Grundsätze, die auf anderen Gebieten ebenso gelten: Die Redaktion macht sich an seiner Stelle über die Entwicklung der Stadt, der Region kundig und hält ihn auf dem Laufenden. Umweltberichterstattung ist kritische Politikberichterstattung. Im Lokalen fragt sie die verantwortlichen Politiker kontinuierlich danach, ob die sie Stadtökologie, die ökologische Situation der Region bei allen ihren Entscheidungen mit im Blick haben. Der Leser darf erwarten, dass seine Lokalzeitung dabei über den Tellerrand der Gemeinde hinausblickt, dass sie ihm Hintergründe und Zusammenhänge deutlich macht. Das gilt auch für die Frage, wie sich politische Weichenstellungen in Bonn / Berlin oder in Brüssel / Straßburg auf die Verhältnisse vor Ort auswirken. Der Leser diese Dinge erklärt haben. Die Journalisten müssen sich so kundig gemacht haben, dass sie nicht bloß die wörtlichen Zitate von Politikern, Interessen­vertretern, Experten und Wissenschaftler servieren. Der Leser braucht Erläuterungen, Begriffserklärungen, Vergleiche – kurz: Verständnishilfen.

Orientierung im Alltag und Handlungsanleitungen erwartet der Leser ebenfalls. Was kann er selber zur Problemlösung beitragen – und wie kann er für seine Gesundheit oder auch seinen Geldbeutel profitieren? Ganz praktisch wird dabei deutlich werden, dass hinter der fortschreitenden Umweltzerstörung letztlich der Lebensstil der Industriegesellschaft steht. Diese Themen lassen sich sachlich und ohne pädagogischen Zeigefinger servieren. Journalisten haben nicht zu missionieren, son­dern möglichst umfassend zu informieren. Aber auch bei diesen ernsthaften, manchmal unangenehmen Themen so, dass sie die Neugier des Lesers, ja nach Möglichkeit sogar seinen Spaß am Lesen wecken.

Der Schwierigkeit dieser Themen sind die viele Lokalredaktionen heute nicht so recht gewachsen. Die Diskrepanz zwischen dem Wünschbaren und dem Machbaren ist mehr oder weniger groß. Dafür gibt es objektive Faktoren, wie etwa die unterschiedliche Ausstattung der Redaktionen, unterschiedliche Qualifikation der Journalisten, auch das unterschiedliche Engagement, wobei den Chefs, ihrer Kreativität, ihrem Engagement und ihrer Kunst der Mitarbeiterführung eine große Rolle zukommt. Die Zahl der Mitarbeiter lässt sich nicht ohne weiteres vergrößern, trotzdem lässt sich etwas tun. Die wichtigsten Ansatzpunkte sind Konzeption und Planung. Das gilt für alle Themenbereiche: Nur wer konzeptionell durchdacht Umwelt ins Blatt integriert, kann agieren, statt immer nur zu reagieren.

Die Redaktion kann sich so ein wenig freimachen von den Konjunkturen der Umweltthemen. Natürlich hat die Zeitung eine Chronistenpflicht – Aktualitäten kann man sich nicht entziehen. Daneben aber lassen sich Freiräume schaffen für das, was die Redaktion aus eigenem Antrieb, aus der Einsicht in Notwendigkeiten und Leserwünsche anbieten will. Wenn die Zeitung selber die Themen setzt, kann sie weit mehr leisten: Sie kann als Frühwarnsystem agieren, das heißt sie kann – gestützt auf ein langfristig aufgebautes System von Informan­ten – auf Entwicklungen und Probleme frühzeitig aufmerksam machen. Noch wichtiger ist der Aspekt Kontinuität der Berichterstattung: Nur sie kann dafür sorgen, dass Themen nicht in der Versenkung verschwinden, wenn ein neue Schlagzeilen die  gesellschaftliche Kontroverse beherrschen.

Eine Konzeption ist die Festschreibung der Programmatik und übergreifender Zielsetzungen der Redaktion. In sie müssen Erkenntnisse über die Leserschaft eingehen, und das Wissen der Redaktion über spezifische Umweltprobleme der Stadt und der Region. Deshalb – und weil die Ansichten über Journalismus und Zeitungmachen ziemlich weit auseinandergehen – lassen sich redaktionelle Konzeption nicht einfach abkupfern. In einer Konzeption wird festgelegt,

· welche Themenschwerpunkte die Redaktion setzen will,

· in welchem Umfang, in welchen zeitlichen Dimensionen und in welchen Formen die Themen präsentiert werden sollen

· ob und welchen Service sie dem Leser bieten will,

· ob und in welchen Formen sie aktiv werden will (Aktionen usw.)

Zunächst ist eine Konzeption nur ein Stück Papier, und es hat schon viele eindrucksvolle Konzeptionen gegeben, aus denen nie mehr geworden ist. Aus der Konzeption muss eine mittel und langfristige Planung entwickelt werden. Verantwortlichkeiten für die Umsetzung müssen geschaffen werden. Ein Instrumentarium zur Überprüfung muss installiert werden: Sind Ziele erreicht und Planungen realisiert worden? Eine Konzeption muss regelmäßig überprüft und ständig weiterentwickelt werden.

·  Regeln Sie in der Lokalredaktion die Verantwortung für den Umweltbereich – ermöglichen Sie fachliche Spezialisierungen.

·  Stellen sie eine entsprechend der örtlichen Umweltsituation eine systematische Liste der Umweltthema auf, die behandelt werden sollten.

·  Checken Sie das Blatt (repräsentative Zeiträume) auf Lücken in der Berichterstattung.

·  Stellen Sie bei jeder Planung in der Kommune die Frage nach den Umweltaspekten.

·  Greifen Sie Umweltkonzepte von Bürgerinitiativen auf, aber überprüfen Sie diese genauso kritisch wie die Angaben von Politikern und Verwaltungen.

·  Bauen Sie systematisch Kontakte zu Fachleuten (auch in den Umweltschutzverbänden) und Wissenschaftlern auf (Experten-Datei). Wenn Sie selbst nicht weiterkommen, helfen Ihnen Clearingstellen (siehe unten).

·  Veranstalten Sie für die Redaktion allein oder zusammen mit Lesern Expertenrunden. Lassen Sie unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, übernehmen Sie dabei die Rolle des Anwalt für Verständlichkeit.

·  Verschaffen Sie sich sinnliche Eindrücke, reden Sie mit Fachleuten, Bürgern, Behördenvertretern möglichst an Ort und Stelle, nicht nur am Telefon.

·  Bieten Sie dem Leser kontinuierlich umfangreichen Service an (Adressen, Tipps)

·  Weisen Sie auf umweltfreundliche Produkte und auf die Bedeutung von Umweltlabels hin.

·  Halten Sie mit Meinung nicht hinter dem Berg – aber klar ausgewiesen als Kommentar.

·  Berücksichtigen Sie bei Ihrem Urteil alle Umweltaspekte, negative und positiven Auswirkungen von Entscheidungen hängen oft untrennbar zusammen.

·  Setzen Sie den Umweltschutz nicht absolut, das Spannungsverhältnis zwischen Umweltschutz- und Arbeitsplatzargumenten darf nicht unterschlagen werden.

·  Nehmen Sie Anregungen aus Leserbriefen und Telefonaten ernst. Gehen sie Tipps und Beschwerden nach und machen Sie daraus eigene Geschichten außerhalb der Leserbriefspalte.

·  Streben Sie wo möglich gemeinsame Aktionen an (Verbrau­cherberatung, Schulen usw.)

·  Überprüfen Sie regelmäßig die Sitzungspläne der Gericht: Wo stehen Verfahren mit Umweltaspekten an?

·  In welcher Form kommen Umweltthemen in den Schulen zur Geltung?

·  Vergessen Sie die Bedeutung der europäischen Politik für die Umwelt nicht: Entscheidungen haben früher oder später durchgreifende Wirkung vor Ort.

·  Schauen Sie den Umweltbehörden so genau wie möglich auf die Finger – wie ist es mit der Kontrolle bestellt?

·  Nutzen Sie die Möglichkeiten des neuen Umweltinformationsrechts, um auch Informationen über die Umweltauswirkungen von Produktionsanlagen zu erhalten.

·  Nehmen Sie Unternehmen beim Wort, die mit ihrem betrieblichen Umweltschutz werben: Umwelterklärungen sind aufschlussreicher, als Sie denken.

Nirgendwo ist Recherche so notwendig wie bei Umweltthemen. Bei den alltäglichen Informationsangeboten haben wir es immer mit interessengeleiteten Positionen zu tun. An allen Seiten eines Konflikts ziehen Expertenwissen und akademische Autoritäten ins Feld. Experten- und Wissenschaftsgläubigkeit ist gefährlich, denn auch Wissenschaft und Forschung sind eingebunden. Forschung ist oft auch an den Universitäten Auftragsforschung, die auf Geldgeber Rücksichten nehmen muss. Auf der anderen Seite stehen, zumal die Berufschancen im normalen Wissenschafts- und Forschungsbetrieb rar sind, immer mehr Wissenschaftler, die sich der Umweltbewegung verschrieben haben – auch sie sind nicht unbedingt frei in ihrem Urteil. Journalisten haben nicht die Aufgabe, in diesem widersprüchlichen Konzert von Meinungen und Einschätzung „die Wahrheit“ herauszufinden. Sie müssen aber die mit dem Pathos der Wahrung des allgemeinen Wohls vorgetragenen Positionen hinterfragen und relativieren. Das lässt sich nicht aus dem hohlen Bauch machen.

Die Voraussetzungen für journalistische Recherchen sind besser geworden, sowohl rechtlich als auch technisch. Das Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt von 1994 gewährt allen Bürgern und damit auch der Presse grundsätzlich freien Zugang zu Informationen über die Umwelt. Der Nachweis eines berechtig­ten Interesses ist nicht mehr nötig.

Auskunftspflichtig sind alle Behörden, deren Hauptaufgabe der Umweltschutz ist. Der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen sah in seinem Jahresbericht 1996 in dieser Formulierung eine Einengung, die nicht im Geiste der Richtlinie ist. So vertrat das Bundesverkehrsministerium zunächst die Auffassung, Straßenbaubehörden seien nicht auskunftspflichtig. Diese Auslegung ist von der EU-Kommission gerügt und dann aufgegeben worden. Informationen können in jeder geeigneten Form erteilt werden. Beschränkungen sind vorgesehen, um die Leistungsfähigkeit der Verwaltung, insbesondere den effektiven Vollzug des Umweltrechts, sicherzustellen und private Belange, insbesondere personenbezogene Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu schützen. So könnten zum Beispiel Emissionsdaten Rückschlüsse auf Rezepturen zulassen.

Der Staat ist zu regelmäßigen Berichten über den Zustand der Umwelt verpflichtet, das folgt ebenfalls aus dem Gesetz. Die bisher freiwillig geübte Praxis hat damit eine gesetzliche Grundlage. Die Informationspflicht wird künftig nicht alleine durch schriftliche Berichte wie die Jahresberichte des Umweltbundesamtes oder die regelmäßigen “Daten zur Umwelt” erfüllt. Ein integriertes elektronische Informationsnetz der Behörden und Forschungseinrichtungen ist im Aufbau, das in weiten Teilen der Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Das Umweltinformationsnetz Deutschland GEIN (German Environmental Information Network) erschließt Daten und Informationen im World Wide Web des Internets. Ein Recherche- und Zugriffssystem mit anschaulicher, selbsterklärender Benutzerführung macht GEIN für jedermann benutzbar.

Die üblichen Methoden der Recherche bleiben beim Thema Umwelt natürlich unverändert gültig. Der Aufwand ist in der Regel größer, sich in die Materie einzuarbeiten. Eine gewisse Spezialisierung ist notwendig, so schwierig sie in der kleineren Lokalredaktion zu erreichen ist. Wie überall gilt es, die persönliche Informantenkartei aufzubauen, Unter den örtlichen Umweltorganisationen und Initiativen finden sich mit Sicherheit Partner, die auf Spezialgebieten außerordentliche Kenntnisse gesammelt haben. An den Hochschulen der Region gibt es mit Sicherheit junge Wissenschaftler, die gerne ihr Spezialwissen zu Verfügung stellen oder zumindest wissen, wo man an bestimmte Informationen herankommen kann.

Über das Verbreitungsgebiet hinaus helfen Clearingstellen für Journalisten weiter: Die “Information Umwelt – Hotline für Journalisten der Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit (GSF)” beantwortet Anfragen zu umwelt- und gesundheits­relevanten Themen. (GSF Information Umwelt, Ingolstädter Landstr. 1, 85764 Oberschleißheim, Tel.: 089/3187-2710, Fax: 089/3187-3324, Anfragen per E-Mail: IU@GSF.DE) Mit Hilfe einer 1 400 Wissenschaftler umfassenden Expertendatenbank kann der Service Ansprechpartner aus allen naturwissenschaftlichen Disziplinen vermitteln. Außerdem steht ein umfangreiches Literaturarchiv zur Verfügung. Bei aktuellen An­lässen gibt es Hintergrundpapiere zu Themen wie beispielsweise "Ozon" oder "Passivrauchen". Alle Dienstleistungen sind auch über Internet abzurufen: http://www.gsf.de/aktuelles/ info_umwelt.html.

Wissenschaftler als Gesprächspartner vermittelt auch der “Info-Dienst Wissenschaft” (Info-Dienst Wissenschaft, Universität Bayreuth, Jürgen Abel, Telefon 0921-55-5323/4, Fax 0921-555325, Internet: http://www.tu-clausthal.de/idw), hinter dem die Hochschulpressestellen stehen. Die Anfrage wird an über 100 Pressestellen weitergeleitet. Außerdem kann das Archiv der Pressemitteilungen der Hochschulen genutzt werden. Betreut wird das Projekt von der Ruhr-Universität Bochum, der TU Clausthal und der Universität Bayreuth.

Auf elektronische Informationsquellen sollte kein Umweltjournalist mehr verzichten. Das muss nicht gleich den Einstieg ins weltumspannende Netz der Netze bedeuten. Auch offline – also ohne Modem am Telefon oder ISDN-Anschluss – gibt es kostengünstige Möglichkeiten, die das CD-ROM-Laufwerk eröffnet. Etwa die "Umweltdatenbank für jedermann" des Umweltbundesamtes: Ökobase; sie läuft unter Windows und ist multimediafähig. Für wenig Geld gibt es Sachstichwörter, Informationen über Umweltchemikalien und Gefahrstoffe sowie eine umfangreiche Sammlung von Umweltadressen. Wesentlich teurer ist sind die vielen kommerziellen CD-ROMs, unter denen sich hilfreiche Sammlungen des Umweltrechts, Fachdatenbanken und anderes mehr finden.

Online gibt es über die Netze der großen Anbieter wie T-Online, AOL, Microsoft Network Zugang zu Datenbankanbietern wie Genios oder GBI, wo jeder in Pressedatenbanken recherchieren kann. Auch das Internet ist über spezielle Provider wie über die großen Dienstanbieter zu haben. Kostenlos ist das alles nicht, aber auch nicht mehr unbezahlbar. Das Angebot an Umweltinformation im Internet ist kaum noch zu überschauen. Das gilt schon für Deutschland und noch mehr weltweit. Regierungsinstitutionen, Behörden, Kommunen, Forschungseinrich­tungen, Verbände, Umweltschutzorganisationen, Medien, Unternehmen der Umweltbranche, Umweltberater, Ingenieurbüros – selbst engagierte Einzelpersonen bieten Dienste an. Fast täglich kommen Angebote hinzu.

Gut einsteigen lässt sich zum Beispiel über den Server des Bundesumweltamtes (http://www.umweltbundesamt.de/). Dort stehen nicht nur die in Volltext-Stichwortsuche erschließbaren Pressemitteilungen der letzten Jahre und viele andere thematische Informationen bereit. Man kann per Mausklick zum Bundesumweltministerium weiterspringen oder aber zu einem der bereits im Netz präsenten Landesämter für Umweltschutz. Der Server bietet eine hervorragende Übersicht seriöser Informationsquellen zum Umweltschutz.

Zu Servern der EU und Homepages zu europäischen Themen geht es am schnellsten über die Seite der Europäischen Umweltagentur: http://www.eea.dk. Viele Umweltverbände sind im Internet vertreten. Im Wissenschaftssektor ist das Internet praktisch flächendeckend – kaum eine Forschungseinrichtung, die nicht mit einem Server vertreten wäre. Online-Magazine zu Umweltthemen gibt es in großer Zahl und unterschiedlicher Qualität. Brauchbar ist zum Beispiel: Umwelt – Kommunale ökologische Briefe (http://www.umwelt.de/lektuere/uk/ welcome.html).

Mit Suchmaschinen wie "Metager", “Lycos” oder Yahoo” lassen sich über Stichwortbäume Seiten aufsuchen, die zum Thema Umwelt etwas anzubieten haben. Über ein oder besser mehrere, miteinander verknüpften Stichworte kann man sich Listen von Seiten ausgeben lassen, auf denen diese Begriffe vorkommen. 

Bücher:

·  Michael Bechtel: Umweltrecherche im Lokalen. Strategien und Quellen, in: Beatrice Dernbach / Harald Heuer (Hrsg): Umweltberichterstattung im Lokalen. Ein Praxishandbuch. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2000

·  Adressbuch Umweltschutz: Handbuch für Presse, Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbände, Bürgerinitiativen. 4. Aufl. Bauverlag: Wiesbaden und Berlin 1996 (regelmäßig neue Auflage)

· Jürgen Bodelle / Hans-Joachim Kursawa-Stucke: Adressbuch Umweltexperten, Eberhard Blottner Verlag, Taunusstein (erscheint regelmäßig neu, nützlich für die Suche nach kompetenten Interviewpartnern)

·       Presse-Taschenbuch "Umweltschutz und Arbeitssicherheit" 1996/97, Kroll-Verlag (für Journalisten kostenlos erhältlich beim Sponsor: Messer Griesheim Industriegase Deutschland, Telefon 02151-379-146) (erscheint jährlich neu)

·      Marc Fritzler: Ökologie und Umweltpolitik. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 1997 (Sehr knappe und verständliche Darstellung der gesamten Umweltproblematik, geeignet fürs Einarbeiten)

·      Umweltbundesamt: Daten zur Umwelt. Der Zustand der Umwelt in Deutschland (unverzichtbar zum Nachschlagen aktueller Zahlen und Bewertungen, erscheint in der Regel alle zwei Jahre neu)

 

 

 

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